Leere Wohung

 

Und auf einmal sind sie weg … auf und davon!
Wo sind die Jahre geblieben, in denen man sich nichts sehnlicher gewünscht hat als Schlaf und in Ruhe ein Buch lesen? Und jetzt kann man ausschlafen, Bücher lesen, arbeiten, Freunde treffen, ins Kino gehen und vieles mehr. Aber es fehlt was: es fehlt das Kinderlachen, die Hektik am Morgen, das gemeinsame Kuschel im Bett, das Vorlesen am Abend, die Ausflüge am Wochenende und noch viel mehr.
Ich kann mich gut erinnern, wie ich zwischen drei fordernden Kindern stand, eins weinte, eins wollte mir sein selbstgemaltes Bild erklären und das dritte wollte auf meinen Arm, als meine Mutter meinte: „Genieß die Zeit mit den Kindern, sie ist so schnell vorbei.“ Ich sah sie damals entgeistert an, aber Sie hatte recht. Heute schaue ich sehnsüchtig jungen Müttern und Vätern, die Baboe Buggys schieben hinterher, sehe sie in Gedanken, ihre Kinder auf dem Arm das Abendbrot zu bereiten, nebenbei die Wohnung einigermaßen zu ordnen und sich gleichzeitig Gedanken um die Organisation des Arbeitsalltages zu machen. Dann kann es passieren das mich die Trauer überfällt, weil meine Kinder ausgezogen sind.

40 Jahre – Kinderladengeneration

In der Zeit als Telefone noch Wählscheiben hatten, Telefongehäuse wahlweise aus orangefarbenem, grünen oder grauem Plastik bestanden, das Fernsehprogramm gegen Mitternacht endete, es noch das Testbild gab und drei Programme (außer West-Berlin verfügte mit DDR 1 und DDR 2 fünf Programme), Automarken sich an ihren Karosserien unterscheiden ließen, die Sesamstraße als pädagogisch wertvolles Kinderprogramm gefeiert wurde, die RAF Bomben legten und Entführungen durchführte (und unsere Eltern an den Mord von Baader, Meinhof und Enslin glaubten), lösten sich viele Familien auf.

Wir entwuchsen dem Kinderladenalter und gingen in den Schülerladen. Unsere Eltern beendeten ihre Langzeitstudien und weil man sich neben Kindererziehung, Berufswahl und Lebensgestaltung ganz klar von der eigenen Elterngeneration abgrenzen wollte, sollte auch die Familiengestaltung anderes sein, nicht kleinbürgerlich, zwei Erwachsene, zwei Kinder, sondern vielleicht als erweiterte Großfamilie.

Zwar wurde noch Mitte der 1960er Jahre geheiratet sobald ein Kind, mangels vorhandener Pille oder Präservative unterwegs war, aber dies war den „alten verkrusteten Strukturen geschuldet“. Die neue Elterngeneration wollte mehr vom Leben ….

Besonders in Studentenkreisen gehörte es zur political correctness, dass Kinder im Kinderladen aufwuchsen. Wahlweise wurden sie von den eigenen Müttern im Wechsel betreut, die zu dieser Zeit mehrheitlich ohne Berufsausbildung oder abgeschlossenes Studium für die Kindererziehung zuständig waren oder von Menschen mit diversen anderen pädagogischen Abschlüssen oder Fähigkeiten. Gern gesehen waren schon damals männliche Betreuer.

Legendär sind die Elternabende, die wöchentlich stattfanden und die weniger dem Austausch über die Kindergruppe oder einzelner Kinder galten, sondern eher die Beziehungen der Eltern untereinander sowie die Beziehungsprobleme einzelner Paare aufarbeiteten.

Die Erwachsenen waren sehr mit sich beschäftigt, mit ihrer persönlichen Entwicklung, der politischen Veränderung im Land und den dazugehörigen Aktivitäten, Demonstrationen, Veranstaltungen in der Rostlaube zu besuchen, manche besuchten auch Parteiversammlungen.

West-Berlin war eine Insel und hörte dort auf, wo sich heute das Gelände des Topografie des Terrors befindet. Auf dem damals noch nicht frei gelegten Gelände konnte man damals in ausgedienten Auto fahren. Berlin hatte teilweise noch Ruinen. Der Platz der mittlerweile sein 15 Jähriges Bestehen feiert, war Brachland und die Straße des 17. Junis endete ca. 500 m vor dem Brandenburger Tor. Die Züge der U-Bahnlinien der Linien 8 und 6 verringerten ihre Geschwindigkeit auf einem Teil ihrer Strecke, da sie durch schlecht beleuchtete Bahnhöfe fuhren, die auf dem Gebiet der damaligen DDR lagen. Vor Einfahrt in diesen Bereich ertönte vom Bahnhofsprecher die Ansage : „Letzter Bahnhof in Berlin West“.

West-Berlin war eine Insel. Damals 1977 … vor 40 Jahren.